Allgemeine Informationen über Loverboys

Ein „Loverboy“ ist ein junger Mann, der eine Liebesbeziehung zu einem meist jüngeren Mädchen (manchmal schon 11- oder 12-Jährige) vortäuscht: Er manipuliert sie emotional, isoliert sie sozial und zwingt sie in die Prostitution. Mit Drogen, Gewalt und Drohungen macht er sie hörig – sie ist ihm ausgeliefert.


Laut „Bundeslagebild Menschenhandel und Ausbeutung“ des Bundeskriminalamts waren im Jahr 2019 von den Opfern des Menschenhandels zur sexuellen Ausbeutung 22,2% deutsch und 94,8% aller Opfer waren weiblich. Davon waren 32,5% unter 21 Jahren alt[1]. Nach der Expertise zum Thema „Deutsche Betroffene von Menschenhandel“ vom bundesweiten „Koordinierungskreis gegen Frauenhandel und Gewalt an Frauen im Migrationsprozess e.V.“ (KOK) erzählte ein Großteil der Betroffenen von „Loverboy“-Beziehungen oder ähnlichen emotionalen und psychischen Abhängigkeiten.[2]

Die Masche mit der „Liebe“, um Mädchen und Frauen in die Prostitution zu locken, gibt es schon lange und weltweit. Obwohl dem Phänomen seit einiger Zeit in den Medien mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird, bleibt die Bekanntheit der „Loverboy“-Methode unter Jugendlichen niedrig. Wir wollen Kinder und Jugendliche informieren und aufklären, um sie davor zu schützen, Opfer von diesen Menschenhändlern zu werden. 

[1] Die Zahl der deutschen Opfer, die von der Polizei entdeckt wurden, repräsentieren lediglich das Hellfeld. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Dunkelziffer deutlich höher liegt. Bundeslagebild Menschenhandel,S. 13

[2] Müller-Güldemeister, Susanne: Expertise zum Thema deutsche Betroffene von Menschenhandel. Bundesweiter Koordinierungskreis gegen Frauenhandel und Gewalt an Frauen im Migrationsprozess e.V., S.21, 05.12.2011.

 Wer oder was ist ein Loverboy?

Loverboys

„Loverboys“ sind meist junge Männer im Alter zwischen 18 und 30 Jahren. In der Regel sind sie älter als ihre Opfer. Oft kommen sie schon früh durch Verwandte oder Freunde mit Prostitution, Drogen- und Waffenhandel in Berührung und werden von ihnen entsprechend vorbereitet.

Um die Mädchen zu ködern, benutzen die „Loverboys“ eine alte Masche: Liebe. Sie sind Meister der Psychologie und der Manipulation. Durch Medienberichte und Aussagen von Opfern entsteht der Eindruck, dass „Loverboys” fast ausschließlich Migrationshintergründe haben. Es gibt aber keine Zahlen und Studien, die das belegen können. Ein Migrationshintergrund bei „Loverboys“ ist natürlich nicht auszuschließen, hat aber für die Problematik selbst keine Bedeutung. Deutlich wird, dass „Loverboys“ oft aus sozialen Randgruppen stammen. Es sind beispielsweise Verbindungen zu Motorrad-Gangs bekannt.

Woran erkennt man, ob eine Person ein Loverboyopfer sein könnte?

Betroffene von „Loverboys“ machen oft eine starke Veränderung durch. Sie können an Depressionen und starken Stimmungsschwankungen leiden oder sind unsicher und haben ein wenig realistisches Selbstwertgefühl. Sie scheinen keine eigene Identität zu haben und sind der Familie gegenüber oft aggressiv. Es könnte sein, dass sie ständig müde, eventuell abgemagert sind und blaue Flecken an Armen und Rücken haben, wo sie leicht zu verstecken sind.

Verändertes Verhalten

Ihr Stil verändert sich stark. Sie tragen oft viel Make-up und neigen zu selbstverletzendem Verhalten. Besonders deutliche Kennzeichen sind der Besitz von mehreren Handys oder Prepaidkarten. Sie sind immerzu an ihrem Handy, denn der „Loverboy“ kontrolliert sie ständig und sie müssen immer auf Abruf bereit stehen. Ein deutlicher Hinweis kann auch das häufige und sehr lange Duschen sein. Außerdem können Betroffene oft nicht über Prostitution sprechen und projizieren die Geschehnisse auf eine andere Person.

Zunehmende Isolierung

Im späteren Verlauf verschlechtern sich auch die schulischen Leistungen, sie beginnen zu schwänzen und es entwickelt sich eine Weglauftendenz. Zunehmender Konsum von Alkohol und Drogen, der neue Kontakt oft zu älteren Jungs, das Kündigen von Freundschaften oder Ablehnen von Besuchen bspw. bei Großeltern deuten ebenfalls darauf hin, dass eine Person ein „Loverboy“-Opfer sein kann. Ein weiterer Anhaltspunkt kann sein, dass die Mädchen von dem jungen Mann häufig mit dem Auto zur Schule gebracht oder abgeholt werden.

Hinweise auf Gefahr

Einige dieser Auffälligkeiten können auch auf andere Formen sexueller Gewalt hinweisen.
Auch normale hormonelle Schwankungen und die Veränderungen während der Pubertät können das Auftreten einiger der Verhaltensweisen verursachen. Sind jedoch mehrere dieser Anzeichen bei einem Mädchen erkennbar, können sie ein Hinweis darauf sein, dass dieses Mädchen bereits Opfer eines „Loverboys“ ist oder in großer Gefahr steht, ein Opfer zu werden.

Betroffene zeigen Loverboys manchmal nicht an

- aus Angst vor ihm (z.B. Gewaltanwendung, Veröffentlichung ihrer unfreiwilligen Sexvideos, usw.)
- aus Scham, sie denken sich freiwillig für die Prostitution entschieden zu haben, also selbst an ihrer Lage  Schuld zu sein
- weil sie ihn noch immer lieben und ihn schützen wollen
- weil sie nicht glauben können, dass wirklich alles eine Lüge war
- weil sie traumatisiert sind

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Trauma Bindung

Oft ist es für Außenstehende schwer zu verstehen warum die Betroffenen nicht einfach gehen. Die Psychologie, die hinter der Methode steht, ist sehr perfide und für jede:n Betroffene:n (auch Eltern, Freund:innen usw.) schwer zu durchschauen. Außerdem sind Betroffene im späteren Verlauf teilweise auch durch ein Trauma an den Loverboy gebunden. Ein Trauma wird auch als schwere seelische Verletzung beschrieben und durch Erlebnisse ausgelöst, in denen man sich absolut ausgeliefert fühlt. Man hat keinerlei Kontrolle mehr und fürchtet um sein Leben und/oder seine körperliche Unversehrtheit. Bei einer sogenannten Trauma-Bindung reagieren Betroffene psychisch auf den erlebten Missbrauch, indem sie sich noch intensiver an den Loverboy binden, denn er ist in dem schrecklichen Moment die einzige Konstante. Durch die zuvor aufgebaute Beziehung und dadurch, dass er ihre (manchmal einzig bleibende) Bezugsperson ist, projiziert sie Hoffnung auf ihn. Er wechselt von Aggression und Gewalt oft auch schnell wieder zu Fürsorge und Zuneigung und wiegt sie so in Sicherheit. Seine Manipulation wird oft als "Zuckerbrot und Peitsche" beschrieben. Es ist ein Teufelskreis von Unsicherheit aber auch Trost durch die Beziehung, was es für die Betroffenen schwer macht sich davon zu lösen. Mehr Informationen zu Trauma-Bindung gibt es z.B. bei SandraNorak.com 

Können Jungen auch Opfer werden?

Jungen sind meist nicht gezielt von sexueller Ausbeutung der „Loverboys“ betroffen, aber auch sie können Opfer werden. Das Kennenlernen verläuft ähnlich wie bei den Mädchen. Sie werden dann zu Kurierdiensten für Drogen oder Waffen gezwungen oder müssen den Kontakt zu Mädchen herstellen. Manche wissen, was sie tun, andere nicht. Auch sie können ein emotional ambivalentes Verhältnis zu den „Loverboys“ haben und drogenabhängig sein. Sie können in einer emotionalen Abhängigkeit auf freundschaftlicher Ebene zum Loverboy stehen, den sie als Vorbild ansehen und seinen Forderungen dadurch gerecht werden wollen.
Bisher sind wenige Fälle von homosexuellen „Loverboy”-Betroffenen bekannt, dennoch ist auch dies möglich. Es gibt sehr wenige Informationen über Jungen, die durch einen Loverboy in die Zwangsprostitution geraten.